Ungewöhnliche Hobbys und außergewöhnliche Talente

Sie haben ein Händchen für Steine oder Holz, für alte Motoren oder heikle Situationen oder sie haben einfach gehörig Rhythmus im Blut – in den vier Bernsteinbädern gibt es Menschen mit außergewöhnlichen Talenten und ungewöhnlichen Hobbys.

Die Wände sind bis unter die Decke mit Erinnerungsfotos gepflastert. Fotos, auf denen verchromte Schätze mit dicken Flossen zu sehen sind. Es riecht nach Benzin und nach Öl. Und vom Wummern des V8-Motors, an dem gerade gebastelt wird, bekommt man eine Gänsehaut. „Amerikanische Oldtimer aus den 1950ern, 1960er und 1970ern sind mein Jungbrunnen“, scherzt Dieter Piest. Seit seine Frau ihm vor vielen Jahren zum Geburtstag einen Cadillac Seville von 1966 geschenkt hat und er ihn wieder flott gemacht hatte, ist es um den Koserower Autoschrauber geschehen. Das ist nun schon eine halbe Ewigkeit her. Doch wenn der mittlerweile 71-jährige Dieter Piest von seinen Oldtimern erzählt, leuchten seine Augen wie die eines Jungen. Denn sie sind allesamt seine Babys. Jedes seiner US-Cars – und er hat sieben davon – hat er von Grund auf selbst restauriert. „Ein fertiges Auto kommt mir nicht in die Garage“, sagt er. Einen von ihnen verkaufen? Das bringt er nicht übers Herz.

In der Werkstatt seines Vaters in Usedom groß geworden, stand für Dieter Piest schnell fest, dass er auch Mechaniker werden will. In seiner eigenen Werkstatt in Koserow restauriert er alte US-Cars aus den 1950ern bis 1970ern. Für verrostete Karossen und diverse Ersatzteile ist er mit Freunden immer wieder nach Amerika gereist. Mitgebracht hat er nicht nur Automechanisches, sondern auch die Liebe zur amerikanischen Musik und zum Tanz. „Elvis ist mein Gott“, lacht der Oldie. Mit seiner Leidenschaft für die Kultur der 1950er und 1960er hat er inzwischen schon viele angesteckt. Jedes Jahr treffen sich auf dem Koserower Countryfest seit 16 Jahren auch die Oldtimer-Liebhaber mit ihren tollen US-Schlitten zu einer gemeinsamen Ausfahrt. Die Bewunderung der Gäste ist ihnen dann auf alle Fälle sicher. „Während andere 71-Jährige sich über Krankheiten unterhalten, rede ich am liebsten über meine Babys“, lacht der rüstige Autoschrauber und denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Ans Aufhören denkt auch der 82-jährige Künstler Alexander Sgonina noch lange nicht. „Solange die Hände mitmachen, geht es immer weiter“, meint er. Auch wenn er in einem seiner früheren Leben einmal Kernphysiker war, ist der Berliner mit Leib und Seele Bildhauer. Früher hat er mit Papier, Ton, Holz und Stein gearbeitet. Seitdem er mit seiner Frau – die ebenfalls Künstlerin ist – vor fünf Jahren auf die Insel nach Zempin gezogen ist, hat er sich auf Skulpturen aus Stein fokussiert.

Sein kleines Kabuff, in dem er Sommer wie Winter die Steine verwandelt, befindet sich versteckt am Ende der Zempiner Peenestraße. „Wenn er mit dem Trennschleifer daran geht, die Steine zu bearbeiten, habe ich immer ein bisschen Angst um ihn“, gesteht seine Frau Kerstin Göldner. Denn dann fliegen ihm die Steinsplitter nur so um die Ohren. Thema seines Schaffens ist die menschliche Figur. „Davon bin ich nie abgerückt und bin dabei noch im Stadium des Sehenlernens“, sagt er. Als Menschenbilder bezeichnet er seine Arbeiten. Über die Jahre wurden sie immer abstrakter, bis sie nur roh behauene Quader waren, die er Bosse nennt.

Seine Frau Kerstin hat ebenfalls ein besonderes Talent. Sie ist Malerin und arbeitet am liebsten mit der Farbe Blau. „Sie bedeutet für mich Klarheit, aber auch so reale Dinge wie Himmel, Wasser, Ostsee“, erklärt sie. Kein Wunder, dass viele ihrer Bilder Landschaften der Insel beinhalten. Auch sie ist mit den Jahren abstrakter geworden. Das lässt beim Betrachten der Bilder viel Spielraum für eigene Vorstellungen. Schon als Kind hat sie gern Zeit an der Ostsee verbracht. Daher war der Umzug auf die Insel für sie wie die Erfüllung eines Traumes. „In einem ganz authentischen und ursprünglichen Ort wie Zempin zu leben und zu arbeiten, ist ein großes Geschenk“, schwärmt sie.

Kunstvolles aus der eigenen Hände Arbeit zu erschaffen, das ist auch das Ansinnen des ehemaligen Drehers Peter Rupprecht. Auf seiner Werkbank drechselt er Kerzenständer, Vasen, Schalen und anderes aus Holz. Früher hat er als Dreher im Marinehafen von Peenemünde gearbeitet. Heute erschafft er seine hölzernen Erzeugnisse nur noch für Freunde und Liebhaber. Wenn er auf seiner Runde mit dem Hund durch den Zempiner Wald besondere Wurzeln oder Stämme findet, freut er sich, sie nach dem Trocknen an seiner 50 Jahre alten Drehbank zu bearbeiten.

Aber der 74-Jährige stellt nicht nur Hölzernes her. Wenn sein Sohn mit seiner Heizungsfirma alte Warmwasserspeicher austauscht, bringt er sie zum Upcycling zu seinem Vater in die Werkstatt. Peter Rupprecht verwandelt die alten Teile dann mit dem Laserschweißgerät in schnieke Feuerschalen und Feuertonnen mit Tier- und Pflanzenmotiven. Im Ort hätten schon etliche Freunde und Bekannte solch ein selbstgemachtes Teil im Garten stehen, freut er sich.

Ein ebenso ungewöhnliches Hobby und ein besonderes Händchen – zwar nicht für Handwerkliches, dafür aber für heikle Situationen – haben die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr von Loddin. Ihre Freizeit und ihr Engagement dem Retten von Menschen zu widmen, ist für sie absolut erfüllend. Mit ihren 140 Jahren ist die Loddiner Feuerwehr die älteste auf der Insel.

„Schon die Lütten ab sechs trainieren fleißig, wie man Schläuche ein- und ausrollt“, erzählen die Mitglieder des Vereins während ihrer wöchentlichen Trainings stolz. Über Nachwuchs können sich die 33 aktiven Feuerwehrmänner und -frauen nicht beklagen. 16 Kinder und Jugendliche fiebern in der Jugendfeuerwehr aufgeregt auf ihren ersten Einsatz hin. Denn erst ab 16 darf man offiziell auf Einsätze mitfahren. Doch anders als bei der Berufsfeuerwehr gibt es bei der Freiwilligen Feuerwehr keinen Wachdienst vor Ort. Wenn es brennt, werden die Mitglieder über die Leitstelle in Greifswald zur Feuerwache in die Loddiner Dorfstraße gerufen. „Eine Stange gibt es darum bei uns auf der Wache nicht“, erklärt einer der Aktiven mit einem Schmunzeln.

Mit ihren beiden Löschfahrzeugen waren sie in den vergangenen Jahren bei vielen heiklen Situationen die Retter in der Not. Ob der Brand eines Reetdachhauses oder die Entgleisung eines Zuges – wann immer sie gerufen werden, helfen sie im Bernsteinbad, aber auch in anderen Orten auf der Insel. „Als zum Beispiel 2022 der Zug in Koserow entgleist ist, waren wir mit mehr als 100 Einsatzkräften vor Ort. Zum Glück ist dort niemand gestorben“, erzählen sie.

Aber es gibt auch schöne Einsätze bei der Freiwilligen Feuerwehr. Ob Aufsicht beim Tannenbaumverbrennen oder Gespenst beim Halloweenfeuer – wenn im Bernsteinbad Loddin was los ist, sind sie immer mittenmang.

Bald ist es wieder so weit. In den Hochburgen des Karnevals sind am 11.11. wieder die Jecken los. Dass die auch im Bernsteinbad Ückeritz auf Usedom anzutreffen sind, klingt sehr nach einem Karnevalsscherz. Aber wer glaubt, die Insulaner sind beim Feiern eher verhalten phlegmatisch, der irrt. Insgesamt sieben Karnevalsclubs treiben es während der berühmten 5. Jahreszeit auf Usedom recht bunt. Unter ihnen mischt ein Club schon seit 1963 kräftig mit. „Hummel Hummel – Mors Mors!“, ist in Ückeritz der wohl bekannteste Schlachtruf. Derzeit wird fleißig für die neue Saison geprobt. Vom Gardetanz der fünf Tanzgarden bis zur Büttenrede wird alles auf das ausbaldowerte Thema abgestimmt.

Wenn in ein paar Tagen dem Bürgermeister des Bernsteinbades die Schlüssel zum Rathaus abgenommen werden, übernehmen die etwas anderen Minister und Ministerinnen bis zum Aschermittwoch das Regierungsgeschäft. Und wenn der Karnevalsclub Ückeritz zu seiner offiziellen Session in die Ückeritzer Ostseehalle einlädt, ist Ulrike Biedenweg voll in ihrem Element. Sie ist ein echtes Ückeritzer Karnevalsurgestein, hat 1995 die erste Tanzgarde des Clubs übernommen und die Kindergarde gegründet. „Heute haben wir 23 kleine Tänzerinnen und ich bin nur noch Trainerin. Aber der Karneval ist mein Leben“, erzählt sie. Gemeinsam mit dem Ückeritzer Club fährt sie alle zwei Jahre zu einer Prunksitzung nach Köln. „Das ist natürlich was ganz anderes. Aber auch unsere Session hat neben viel Tanz auch einiges an Programm zu bieten.“

Weil die Tanzgarden so gefragt sind, werden sie außerhalb der Karnevals gern für andere Veranstaltungen in Ückeritz und sogar auf der ganzen Insel gebucht. „Einer der schönsten Termine ist im Sommer das Funkensprühen. Dann kommen alle Tanzgarden der Insel zusammen und präsentieren ihre Tänze“, schwärmt Ulrike.

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