Neue Koserower Meerblicke

Auf der Seebrücke von Koserow übers Wasser laufen Sie ist ein echter Hingucker – die neue Seebrücke von Koserow.

Wie eine Welle schlängelt sie sich in die Ostsee vor dem Streckelsberg. Große Plattformen laden zum Sonnenuntergangskino, aber auch zum Sitzen, Genießen und Ostseeluftschnuppern ein. Hört man sich um, zählt die Koserower Seebrücke schon jetzt zu einer der schönsten der fünf Seebrücken der Insel Usedom. Dabei wurde sie gerade erst im Juli 2021 eröffnet. Aber nicht nur die Gäste des Bernsteinbades sind hellauf begeistert. Auch die Koserower selbst lieben ihre Brücke, denn bei dessen Entwicklung haben sie aktiv mitgestalten und mitentscheiden können.

Doch hübsch der Reihe nach. Wer den alten Seesteg mit seiner hölzernen Pyramide am Seebrückenaufgang noch kennt, weiß, dass der in die Jahre gekommene Meerweg an vielen Stellen schon für Laien recht marode wirkte. Und tatsächlich hatte 2013 ein Gutachten die Baufälligkeit der Seebrücke bestätigt. Die Brücke wurde für Besucher gesperrt.

Koserow war eines der Seebäder, das schon recht früh einen Seesteg besaß. Erst 1993 erhielt Koserow wieder einen Seesteg. Doch schon nach 20 Jahren zeigte der erhebliche Alterserscheinungen. Nicht nur das Holz war sanierungsbedürftig, das Gutachten ergab außerdem, dass die Querträger nicht mehr stabil genug waren und die Brücke hätte kippen können. „Wir haben zunächst erwogen, die Brücke zu sanieren“, erzählt Nadine Riethdorf, die Kurdirektorin des Bernsteinbades. Bis 2015 wurden die ersten hundert Meter der Brücke daher auch wieder instandgesetzt. „Aber wir wussten, dass das nur Flickschusterei war und keine dauerhafte Lösung sein konnte“, so die Kurdirektorin.

Was also tun? Abreißen? Weiter sanieren oder gar ganz neu bauen? Aber wenn neu bauen, wie sollte die neue Brücke dann aussehen?

„Eine Brücke wie wir sie schon hatten, wäre nicht gefördert worden“, meint Nadine Riethdorf. Aber ganz allein konnte ein kleines Seebad wie Koserow solch einen Neubau nicht stemmen. Etwas völlig Neues und Anderes musste her. Etwas, das außerdem höher ist als das Alte, um besser gegen Stürme geschützt zu sein.

Aber wie sollte die neue Brücke aussehen? Jetzt waren die Koserower selbst gefragt. Denn sie sollten über ihre neue Brücke mitentscheiden. Und die Einwohner kamen mit vielen Vorschlägen. Innovativ sollte ihr neuer Seesteg sein. Die Natur sollte im Vordergrund stehen. Da man den freien Blick auf den Streckelsberg nicht verbauen wollte, sollte auf dem neuen Steg keine Shoppingmeile entstehen. Die Brücke sollte für Gäste ein Erlebnis sein und für Einheimische ein Ort, an dem sie gerne verweilen.

Fünf Entwürfe hatte der ausgewählte Planer, der auch schon Seebrücken in Schleswig-Holstein entworfen hatte, der Gemeinde schließlich vorgelegt. Die Wellenoptik überzeugte auf Anhieb. Auch ein Brückenkopf mit einer großen Sitzlandschaft für Konzerte, Veranstaltungen oder als Sonnenuntergangskino kam sehr gut an. Dass die Brücke 1,50 Meter höher werden musste, breit und bequem zu erlaufen sein sollte und am Ende mit einem barrierefreien Schiffsanleger versehen werden soll, wurde in weiteren Workshops festgelegt.

In jeden Planungsschritt wurden die Koserower miteingebunden. Selbst, als es darum ging, aus welchem Material die neue Brücke gebaut werden sollte. „Es wurden sämtliche Baustoffe in Erwägung gezogen“, erzählt die Kurdirektorin. Recycelter Kunststoff fiel schnell aus der engeren Wahl, da er sehr temperaturanfällig ist und die Brückenunterkonstruktion enorm auf Spannung brächte. Deutsche Lärche fiel wegen ihrer schnellen Verwitterung ebenfalls raus. Entschieden haben sich die Koserower dann aufgrund der Langlebigkeit und der Witterungsbeständigkeit, aber auch wegen der wundervollen Beschaffenheit für zertifiziertes – also nachhaltig produziertes – Bongossiholz. „Das war zwar teurer, dafür ist es aber langlebiger und nachhaltiger“, erklärt Nadine Riethdorf.

2019 ging es mit dem Abriss des alten Stegs los. Im Jahre 2020 musste aufgrund von Lieferschwierigkeiten und weil auf dem Holz ein Pilz gefunden wurde, der Bau unterbrochen werden. Doch im Juli 2021 konnte die neue Seebrücke von Koserow schließlich für Besucher freigegeben und eröffnet werden. „Das war für mich ein Gänsehautmoment, als ich zum letzten Mal allein auf der Brücke stand und auf dem Seebrückenvorplatz die vielen Menschen gesehen habe, die zur Eröffnung gekommen waren. Fröhliche, entspannte Menschen, die begeistert waren. Da hat sich der Schweiß und das Herzblut der vergangenen acht Jahre gelohnt“, beschreibt die Kurdirektorin einen ihrer wohl emotionalsten Momente.

Etwa 7,2 Millionen Euro hat der Bau der neuen Koserower Seebrücke gekostet. 2,5 Millionen Euro hat die Gemeinde Koserow selbst aufgebracht. Sowohl auf den beiden Plattformen als auch auf der 280 Meter langen Brücke selbst gibt es Bänke zum Verweilen. Demnächst werden noch mindestens acht Strandkorbdrehsessel auf ihr installiert. Die großen Freiflächen können als Sonnenuntergangskino, aber auch für kleinere Konzerte genutzt werden. Das Brückengeländer ist mit LED-Bändern beleuchtet, so dass die hölzerne Welle auch bei Nacht ein Hingucker ist. Und weil das Wort „erleben“ alle Sinne vereint, gibt es für den Gaumen- und Kehlengenuss auf dem Brückenkopf eine kleine, aber feine Wein- und Cocktailbar in einer eigens dafür umgebauten Ape.

Eine Verbindung zu Vineta-Sage hat Koserow ebenfalls geschaffen. Auf dem Brückenkopf wurde ein Glockenturm errichtet, der mit dem Läuten der „Vineta“-Glocken am Ostersonntag an die Sage erinnern will, die besagt: „Wenn du ein Sonntagskind bist, kannst du am Ostersonntag die Stadt Vineta aus dem Meer aufsteigen sehen“. Die Glocken stammen ursprünglich von einer Kirche in Niedersachsen. Da jedoch viele Gäste den Wunsch geäußert hatten, die Glocken häufiger zu läuten, erschallen sie jetzt jeden Mittwoch um 16 Uhr im Anschluss an die Erzählung der Vineta-Sage.

Jede Brücke braucht auch ein wenig Kunst, findet Nadine Riethdorf und spricht damit den neuesten Koserower Zuzug an, eine Statue aus Cortenstahl. Ein Mann mit einer Glocke in der Hand, der hinaus auf die Ostsee schaut. Ist es ein Fischer oder der Glöckner von Vineta – Was passt besser zu dem Bernsteinort?

Noch ein kleiner Fun-Fact zum Schluss:

Wer die alte Koserower Brücke geliebt hat, braucht nicht traurig zu sein. Denn die Mitglieder der Bungalowsiedlung von Neeberg haben die alten Holzplanken des Seesteges gesichert und in ihrem kleinen Hafen an der Krumminer Wiek wieder zu einer Brücke aufgebaut. In Reminiszenz an die Herkunft haben die Neeberger sie „Von Koserow“ getauft.

Text: Sandra Grüning – Textwerkstatt Küstenkind

Weitere Blog-Beiträge