Die Hexe von Koserow

Es war einmal ... So fangen die meisten Märchen an. Auch über das Bernsteinbad Koserow gibt es ein solches Märchen zu erzählen.

Ein Märchen, das unseren kleinen Ort sogar bis weit über die Inselgrenzen hinaus bekannt gemacht hat:

Es war einmal eine junge Frau. Sie lebte um 1630, hieß Maria Schweidler und war die Tochter des Koserower Dorfpfarrers Abraham Schweidler. Sie war genauso hübsch wie fromm und ihr Leben wurde vom Glück geküsst. Denn beim Graben nach dem schon damals sehr begehrten, weil kostbaren Bernstein am Koserower Streckelsberg war sie auf eine Bernsteinader getroffen. Ihren Fund hielt sie geheim. Das kostbare Gut verkaufte sie in Wolgast. Jedoch nicht, um sich selbst daran zu bereichern. Mit dem Erlös half sie den Ärmsten ihres Dorfes. Denn um 1630 wütete auch auf Usedom der Dreißigjährige Krieg und die Menschen hungerten. Wie so oft weckte der unerklärliche Reichtum der Pfarrerstochter Neid und Habgier. Als Maria einem der Neider, dem Amthauptmann Appelmann, einen Korb gab, sann der verschmähte Verehrer auf Rache und bezichtigte die junge Frau der Hexerei. Die Pfarrerstochter wurde festgenommen, ins Schloss Pudagla gebracht und im dortigen Gewölbekeller sogar peinlich verhört. Unter der Folter gestand sie schließlich alles, was ihre Peiniger hören wollten. Woraufhin man sie zum Tode verurteilte. Am 30. August 1630 sollte sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Doch auf dem Weg dorthin wurde sie von Rüdiger von Nienkerken, dem Grafen von Mellenthin, gerettet. Er liebte Maria und nahm sie zur Frau. Und wenn sie nicht gestorben sind …

Ein Happy End in buchstäblich letzter Sekunde. Dass die Geschichte um die Bernsteinhexe Maria Schweidler nur Fiktion ist und der Fantasie des Koserower Dorfpfarrers Wilhelm Meinhold entsprang, hätten viele Leser 1843, als die erste Ausgabe der Bernsteinhexe sogar mit Unterstützung des preußischen Königs erschien, sicher nicht gedacht. Erst mit Erscheinen der zweiten Auflage gestand der Pfarrer, dass seine Geschichte ein reines Fantasiegespinst ist. Zwar hatte es tatsächlich einen Pfarrer namens Abraham Schweidler in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges gegeben und auch ein Junker Nienkerken lebte einige Zeit später auf der Insel. Aber eine Bernsteinhexe hatte es nie gegeben.

Das tat und tut der Faszination um Maria Schweidler bis heute keinen Abbruch. Mehr als 100 Mal wurde ihre Geschichte bereits gedruckt. Auch auf Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Polnisch. Fast jährlich erscheint eine neue Version. Ein Ende ist nicht absehbar. Vor allem nicht, da der Hype um Hexengeschichten derzeit geradezu in den Himmel schießt.

Einer, der sich bestens mit der Geschichte der Bernsteinhexe und ihrer Entstehung auskennt, ist Dr. Franz Jeschek. Der diplomierte Mathematiker ist ganz zufällig zum Hexenfan geworden. Beim Stöbern in alten Kirchenbüchern, in denen er mehr über die alteingesessene Koserower Familie seiner Frau zu erfahren hoffte, stieß er immer wieder auf den ehemaligen Pastor Meinhold und die von ihm geschriebene Bernsteinhexe. Das war 1985. Seitdem hat er alles gesammelt, was über die Bernsteinhexe erschienen ist. Er besitzt sogar ein Exemplar der 1. Ausgabe. „Die ist mittlerweile einiges wert. Um die 300 € muss man dafür auf den Tisch legen“, weiß der passionierte Geschichtsliebhaber.

Franz Jeschek sammelt auch die Ausgaben ausländischer Verlage. Er besitzt Kinderbücher über die Bernsteinhexe, Bilder, Skulpturen und sogar eine Schaltplatte der Gruppe Transit, die 1982 einen Song über die Bernsteinhexe veröffentlicht hat. „Es ist faszinierend, dass es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt“, freut sich der rüstige Rentner.

Seit ihrem Erscheinen gehört die Bernsteinhexe zu Koserow wie der Streckelsberg. Ihr ist es zu verdanken, dass ab 1845/46 auch die ersten Gäste in den Ort kamen. Zunächst aus Neugier, um sich die Wirkungsstätten der Maria Schweidler, aber auch des Pfarrers Meinhold anzuschauen, später weil sie sich in den Charme des Ursprünglichen verliebt haben. Ob Straßennamen, Koserower Festumzug zum jährlichen Seebrückenfest oder die Theater-Inszenierungen von „Klassik am Meer“ – Meinhold und seine Bernsteinhexe sind in Koserow allgegenwärtig. Und auch, wenn die Geschichte der Bernsteinhexe reine Fantasie ist, gibt es immer wieder Bernsteinliebhaber, die nach der angeblichen Bernsteinader der Maria Schweidler im Streckelsberg suchen. Das von Dr. Franz Jeschek geschriebene Buch über Pfarrer Meinhold mit dem Titel "Wilhelm Meinhold - Pfarrer und Dichter aus Pommern und seine Bernsteinhexe" sowie eine Ausgabe der Bernsteinhexe ist in der Kurverwaltung Koserow erhältlich.

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