Wenn es auf dem Strandsand plötzlich neongrün leuchtet

Bernsteinsuche im Dunkeln

Bernstein ist ein echter Alleskönner. Er ist beliebt als Schmuckstück, Heilstein oder ganz persönlicher Talisman. Und nicht selten erzählen die in ihm enthaltenen Einschlüsse Geschichte und Geschichten.

Aber wusstet ihr, dass Bernstein im Dunkeln leuchtet?

„Und wie“, ruft der elfjährige Tom ganz euphorisch und zeigt seine leicht phosphoreszierende Ausbeute des Abends. In seiner Hand glitzern trotz der Dunkelheit deutlich sichtbar unter dem Kegel seiner Taschenlampe eine Menge kleiner Bernsteine. Die hat er alle in der letzten halben Stunde gefunden, freut er sich. Und auch der Rest seiner kleinen Abenteurertruppe, die noch immer mit lilafarbenen Taschenlampenkegeln den Strand an der Wasserkante abscannen, geht es da ganz genauso. Jedes Mal, wenn wieder einer der leuchtenden Ostseediamanten gefunden wird, sind am abendlichen Ufersaum kleine Freudenschreie hörbar. „Der ganze Strand ist voll davon“, staunt Tom und präsentiert seine Entdeckungen den beiden zwölfjährigen Zwillingen Mariella und Silvan aus Freudenstadt. Die hatten die Tage zuvor schon zwei kleine gefunden. Jetzt sind sie umso begeisterter, weil so eine Schatzsuche mit anderen noch einmal viel mehr Spaß macht, findet Mariella.

„Bernstein ist leicht mit einer ausreichend starken UV-Lichtlampe in der Dunkelheit auszumachen“, erklärt Thomas Heller, der abendliche Guide aus Neuendorf. Er führt noch bis in den Dezember hinein kleine und große Entdecker einmal in der Woche auf einer ganz besonderen Bernsteinwanderung abends am Strand von Stubbenfelde entlang, was zum Bernsteinbad Loddin gehört. Hier soll es besonders häufig und viel Bernstein zu finden geben. Eine Legende schreibt sogar von einer Bernsteinader im Stubbenfelder Steilufer. „Ob das stimmt, kann ich nicht bestätigen“, lacht Heller verschwörerisch, „aber die Strömung ist an diesem Teil der Usedomer Küste sehr günstig. So dass hier nach einem Sturm immer wieder Bernstein an Land gespült wird“, erklärt er seinen großen und kleinen Zuhörern.

Die hängen ihrem Naturlehrer förmlich an den Lippen. Denn auf den Wanderungen von Thomas Heller an der abendlich dunklen Küste entlang erfährt man viel über das berühmte Gold der Ostsee. Auch, warum es sich gerade nach einem ordentlichen Herbststurm immer lohnt, am Strand danach zu suchen. Die Wellen, die auch unter der Oberfläche gewaltige Kräfte besitzen, wühlen dann nämlich den Grund der Ostsee kräftig auf und fördern das seit Millionen von Jahren dort eingeschlossene, versteinerte Harz ins Tages- beziehungsweise Taschenlampenlicht. Die Strömung bringt es in Richtung Land, wo es zusammen mit anderem Schwemmgut am Ufersaum liegen bleibt. Der Vorteil der im Herbst doch schon recht kühlen Ostsee ist, dass sie bei um die vier Grad Celsius die gleiche Dichte hat wie Bernstein. Dadurch schwimmt das Schmuckstück und sinkt im Wasser nicht wieder nach unten.

Wer nach einem Sturm also frühmorgens am Strand nach dem in der Sonne funkelnden Stein sucht, hat häufig Glück fündig zu werden. Abends oder nachts ist die Wahrscheinlichkeit sogar noch größer. Weil Bernstein in einem bestimmten Lichtspektrum neongrün leuchtet. Bevor es also auf die kleine Schatzsuche mit Thomas Heller geht, wird jeder Teilnehmer – und von denen gibt es in seinen Kursen immer viele – mit einer UV-Lampe ausgestattet. „Am besten sind Lampen mit 365 Nanometer. Bei anderen Wellenlängen nimmt der Fluoreszenzeffekt entweder ab oder so zu, dass auch vieles andere plötzlich aufleuchtet wie Plastikteilchen oder Muscheln“, erklärt er, während die Sammler sich auf den Weg hinunter an den Strand machen.

Am besten sollten die fossilen Funde in einem Glas mit Wasser oder nassem Sand transportiert werden. Zwar gebe es, laut dem Bernstein-Guide, in den Bernsteinbädern in der Regel keinen Weißen Phosphor, der sei eher in der Nähe der Raketentests der ehemaligen Heeresversuchsanstalt in Peenemünde zu finden, aber sicherer sei so ein Wasserglas allemal.

Und dann geht’s los. Die Kegel der UV-Lampen tanzen munter auf dem vom Mond beschienenen Sand hin und her und verleihen der Schnitzeljagd einen besonderen Reiz. Vor allem für Kinder ist es ein echtes Abenteuer, nachts auf Schatzsuche zu gehen. Und auch noch mit reicher Beute belohnt zu werden. „Bei mir finden die Teilnehmer immer etwas“, sagt Thomas Heller mit einem Augenzwinkern. Er ist früher selbst viel sammeln gegangen. Heute hat er mehr Spaß daran, wenn er Familien zu einem spannenden Abenteuer verhelfen kann.

Die Bernsteinbäder bieten verschiedene Veranstaltungen rund um den Bernstein an. So gibt es neben den Abendwanderungen auch Kurse, in denen man seine Fundstücke zu echten Schmuckstücken schleifen kann. Schaut hierfür gern im Veranstaltungskalender vorbei.

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